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Deutsches Schloss- und Beschlägemuseum

3 Byte entfernt, 17:18, 19. Aug. 2015
Ein Sprung über die Jahrhunderte hinweg führt zum karolingischen Schloss, das eine kunstlose Form, zumeist ein einfaches Holzgehäuse und eine verhältnismäßig einfache Sicherung aufweist. Reicher war schon die Ornamentik der Beschläge, wie wir sie von ottonischen und romanischen Türen her kennen. Mit dem Anbruch der Gotik bricht sich die Freude an reicherer Form Bahn. Das Türschloss ist zunächst noch einfach, mit unkomplizierter Sicherung, die Platte und die Türbänder weisen die charakteristischen gotischen Formen auf; kunstvoll dagegen sind die Schlösser an Truhen. Die mit dem 16. Jahrhundert beginnende Renaissance ist gekennzeichnet durch die Freude an der Gestaltung, die, zwar in strengerem Stil, auch die Gegenstände des täglichen Lebens mit einbezieht. An den Schlössern, teils mit ziselierter, teils mit getriebener oder durchbrochener Decke, an den Türklopfern, an den Schließblechen und sonstigen Beschlägen erweist der Schlosser höchste künstlerische Gesinnung und Handfertigkeit. Die Sicherung des Schlosses durch ein besonderes Eingerichte, bei dem der durchbrochene Schlüsselbart entsprechende Züge durchlaufen muss, um den Riegel zu bewegen, ist oft ein Meisterstück der Präzision.
Die Freude an der Form erfährt im Barock ihren Höhepunkt und führt zu einem Über¬schwang, der Schloß, Schlüssel und Beschlag mit einem bis dahin nicht gekannten Reich¬tum ausstattet. Das von Frankreich herüberwehende Rokoko wendet sich dann von der Symmetrie ab und überhäuft Möbel und Beschläge mit krausem Linienfluß. In der napoleonischen Zeit erhebt sich noch einmal ein vornehmer Stil, das Empire, das Formen der Antike wieder aufnimmt, während Deutschland wenig später im Biedermeier zu einer bürgerlichen Gemütlichkeit hinfindet. Diese Wandlungen machen auch Schloß und Beschlag mit. Dann schlägt das Maschinenzeitalter dem sich als Kunsthandwerker betä¬tigenden Schlosser das Werkzeug aus der Hand, die Massenware beherrscht den Markt, die nur ab und zu versucht, ihr wesensfremd gewordene Formen wieder aufklingen zu lassen. Gegen diesen Niedergang in der formalen Gestaltung flackert um das Jahr 1900 noch einmal der Versuch eines neuen Stils auf, der Jugendstil, der in bewegtem, bota-nischem botanischem Linienfluß aber nur ein Eintagsleben führte. Beispiele aus all diesen Zeiten finden sich in reichem Maße im Schlossmuseum, Beispiele, die sowohl die technische Entwicklung wie die künstlerische Gestaltung beleuchten und damit auch dem Fachmuseum Lebendigkeit verleihen.
[[Datei:Wönnemannsche Schmiede alt.jpg||thumb|gerahmt|rechts|Wönnemannsche Schmiede]]
Betrachtet man das Instrumentarium, so möchte man meinen, es hätte sich durch fast zwei Jahrhunderte in der Arbeitspraxis des Velberter Schlossers nichts geändert, seit jenen Tagen, da der Kaufmann Vehlau seine Aufträge erteilte und die bezogenen Schlösser, Schüppen, Beile, Hämmer und Lampen gegen geliefertes Handwerksgerät, Eisen, Stoffe, Lebensmittel, Flinten und Bibeln verrechnete. Das umständliche Arbeitsgerät lässt auch verstehen, dass die Velberter Schlösser nichts gemein haben konnten mit den kunstvollen Erzeugnissen süddeutscher Schlosserkunst. Sie genügten in einfacher Weise der Verpflichtung zur Sicherung und mussten auf Schmuck und Verzierung verzichten. Oberstes Gebot war eine Handfertigkeit, die sich bis in das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts lebendig erhielt und das aussterbende Geschlecht der altvelberter Schlosser befähigte, aus einem goldenen Zehnmarkstück zwei Vorhangschlößchen zu fertigen.
Vom Eisenhändler, vom „Iserladen", bezog der Schloßschmied das Blech, aus dem Schloß und Schlüssel geschmiedet wurden. Um es zu verkleinern, in Stücke der erforderlichen Größe zu schneiden, benutzte er die Blechschere. Sie wurde mit dem kurzen, gebogenen Arm in den „Schruwstock" gespannt, der Griff unter die Achsel genommen und so mit Schulterkraft das Zerschneiden bewerkstelligt. Das öffnen und Schließen des Schraubstocks erfolgte, um Zeit zu sparen, mit dem Knie. Dieses jahrzehntelange Hin- und Her¬schlagen Herschlagen des Hebelarmes hatte eine Deformation des Knies zur Folge. (In den Musterungsergebnissen lesen wir daher öfters von einer „Krümmung des Schenkels".) Auch die Gewohnheit, die Prüfung der Tagesfalle, ob die Feder nicht etwa zu stramm sei, mit der Nase vorzunehmen, hatte gesundheitliche Nachteile und führte oft zu leichtem Schielen. An den Handschraubstöcken, den Spann- und Nietkloben sowie den Metallsägen ist besonders die Entwicklung der Form interessant. Die ältesten Stücke weisen eine erstaunliche Freude an einem schönen Fluss der Linie auf, in dem das alte Kunsthandwerk nachklingt. Das Formgefühl verliert sich jedoch schnell und weicht einer reinen Zweckmäßigkeit. An den Gewindebohrern, die man in ältester Zeit noch nicht kannte (Löcher wurden mit dem kleinen meißelförmigen Durchschlag in die Bleche geschlagen), lässt sich die Sparsamkeit der alten Schlosser erkennen, die eine taub gewordene Feile nicht wegwarfen, sondern zu anderen Zwecken verwendeten und umarbeiteten. Die Leeren oder Schablonen zeigen bei der Herstellung einzelner Schlossteile einzuhaltende Maße; die Kerben auf den Blechstreifen geben die Größen von Einzelteilen der verschiedenen Schlosstypen an.
Das urtümlichste, noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchliche Instrument, stellt der Drillbohrer dar. Seine Mechanik erinnert an die Art und Weise, wie in vor¬geschichtlicher Zeit und bei primitiven Völkern das Feuer erbohrt wurde. Der Schlosser hängte das Drillbrett, das in der Mitte einen Eisenstreifen mit Führungslöchern trägt, vor die Brust, spannte den anzubohrenden Schlüsselhals oder das Blech in den Schraub¬stock, umwickelte die Spinde mit dem Lederriemen des Drillbohrers, klemmte die Spindel zwischen Drillbrett und Schlüssel und brachte sie durch Auf- und Abbewegung des Bogens, also durch Fiedeln wie beim Geigenspiel, in drehende, bohrende Bewegung. Auf so mühsame und zeitraubende Weise arbeitete man, bis die Drehbank in den fünfziger Jahren Eingang fand. Das älteste Exemplar ist im Schloßmuseum aufbewahrt. Vielfach fertigte der Velberter Schlosser sein Werkzeug selbst. So die Federhexen, scherenförmige Instrumente zur Herstellung von Schlossteilen wie Federn und Bügeln. Eine Verwendung von Stempeln und Matrizen zum Ausstanzen von Schlüssellöchern und einzelnen Schlossteilen bedeutete einen wesentlichen Fortschritt.
War ein Schloss fertiggestellt, so musste es auf Glanz gebracht, "gewienert" werden. Dazu bediente man sich des Polierstahls, mit dem man unter reichlicher Verwendung von Spucke Hochglanz hervorzauberte. Eine Anzahl von kleinen Meißeln zum Einprägen von Buchstaben wurde für die Herstellung von Buchstabenschlössern verwendet, die sich nur bei Einstellung eines bestimmten Kennwortes öffnen ließen.
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